Bye Bye Calibri

Bye Bye Calibri

Wer Calibri nutze, sei auf Höhe der Zeit, schrieb einst die Süddeutsche Zeitung. 2007 mag das so gewesen sein, denn da wurde die Schrift mit Einführung von Microsoft Vista zur Standardschrift in MS Office und löste damit Times New Roman ab. Während das unbeliebte Betriebssystem schnell durch Windows 7 ersetzt wurde, konnte sich die humanistische Antiqua, zu deren Schriftfamilie sich Calibri zählen darf, bis heute durchsetzen. Zurecht. Der humanistische Duktus der Schrift ergab sich daraus, dass sie durch ihre Rundungen die humane Bewegung einer Handschrift nachahmt und nicht zu statisch oder konstruiert wirkt. Ein freundlicher Partner im Büroalltag. Ein Problem, welches sich für Designer dadurch allerdings oft ergab, war die Mischung mit Corporate Fonts einer Marke.

Da Unternehmen zwecks Wiedererkennung für gewöhnlich mit eigens für ihre Marke lizensierten Schriften arbeiten, war es oft irritierend, wenn eine Marke bspw. mit einer geometrisch durchdachten Schrift wie Futura kommuniziert, sich aber E-Mails dann plötzlich in Calibri zeigten, weil das Unternehmen Outlook als Standard-Mail-Client einsetzt. Gerade im B2B-Bereich passen die für die Nutzer so angenehmen Rundungen nicht zwingend zur Marke. Da auf jedem Windows-PC kostenfrei verfügbar, fand Calibri als solide Schrift oft auch den Weg in den Ordner der Corporate Fonts. Fatal für eine Marke. Denn über die vielen Jahre haben wir die Schrift viel zu oft gesehen. Sie wirkt dadurch trist und unkreativ. Das Design-Team von Microsoft sagt dazu „Wenn sich eine Schriftart in den Hintergrund eines Benutzererlebnisses einfügt, können Menschen direkt in den kreativen Prozess einsteigen und in ihren Gedanken verankert bleiben, anstatt über die Form dieser Gedanken nachzudenken.“ Okay, das ist zumindest in der Markenkommunikation mit Vorsicht zu genießen. Denn wenn ich meine Marke in einer Schrift kommuniziere, in der ein Schüler mir seine Bewerbung für ein Tagespraktikum schickt, dann kann das nicht der Anspruch meines Unternehmens oder meiner Marke sein. Calibri hat sich so ein bisschen zur alten Jogginghose gewandelt: Sie fühlt sich zwar noch gut an, aber für die Brötchen, die du am Sonntagmorgen holst, streifst du dir dann doch lieber 'ne Jeans über.

Was nun?

15 Jahre nach Einführung von Calibri entschied sich Microsoft also dazu, in Bälde eine zeitgemäße Schrift zur Standardschrift einzuberufen. Dazu wurden verschiedene Schriftdesigner beauftragt, um neue Schriften zu entwerfen. Mit Tenorite, Bierstadt, Skeena, Seaford und Grandview stehen künftig also fünf neue Systemschriften zur Verfügung. Die neuen Fonts umfassen die verschiedenen serifenlosen Stile – humanistisch, geometrisch, schweizerisch und industriell.

Vor allem die Grandview wird wohl die Herzen so mancher Designer höherschlagen lassen und auch von etlichen Marken gefeiert werden. So orientiert Sie sich an der klassischen deutschen Straßenbeschilderung. Im Gegenzug zur bekannten DIN-Schrift, welche für eine gute Lesbarkeit kurzer Textläufe in mittleren bis schmalen Abständen sorgt, wurde Grandview dahingehend entwickelt, eine gute Lesbarkeit auch bei längeren Fließtexten und auch bei kleinen Größen auf Geräten zu gewährleisten.

Welche Schrift am Ende den Vorrang erhält, bleibt abzuwarten. In den kommenden Monaten wird sicherlich verstärkt die Nutzung genau beobachtet, denn alle fünf Schriftarten stehen über die Cloud im Rahmen eines Microsoft 365°-Abos bereits zur Verfügung.

Wer mehr über die Hintergründe zu den neuen Schriften sowie zu den Inspirationen und Ideen der Designer lesen möchte, findet im folgenden Artikel die passenden Interviews:

https://www.microsoft.com/en-u...